Andacht März 2023

Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?


Römer 8, 35

„Dein ist mein ganzes Herz“, so hat einst Richard Tauber gedichtet und gesungen, und weiter: „Wo du nicht bist, kann ich nicht sein“. Wir alle kennen wohl das starke Gefühl, die Leidenschaft, die Sehnsucht, einem geliebten Menschen ständig ganz nahe zu sein. Wir wollen uns nie, nie! voneinander trennen, wir schwören uns ewige Treue - und doch geschieht es in vielen Fällen, dass wir eines Tages einander fremd geworden sind, dass wir auseinandergehen und nichts mehr mit einander zu tun haben wollen. Waren wir mit einander verheiratet, so lassen wir uns oft unsere Trennung durch ein richterliches Scheidungsurteil bestätigen.

So ist es aber nicht mit unserem Verhältnis zu Jesus Christus.

Natürlich ist unsere Liebe zu Jesus nicht frei von Anfechtungen, wir haben Zweifel, ob Jesus uns wirklich nahe ist, obwohl er doch bei uns sein wollte bis ans Ende der Zeit (Matthäus 28, 20), wir erleben schlimme Dinge, von denen wir uns nicht vorstellen können, dass Jesus sie für uns ausgewählt oder zugelassen hat, dass sie gerade uns widerfahren, ja, wir werden sogar manchmal unsicher, ob es Jesus, ob es Gott überhaupt gibt. So kann es geschehen, dass wir uns enttäuscht abwenden und nichts mehr mit Gott, mit Jesus zu tun haben wollen.

Das war damals in Rom so, als Paulus seinen Brief an die Römer schrieb und Kaiser Nero die Christen verfolgte, das ist heute so in vielen Teilen der Welt. Christen werden verfolgt und getötet, und mancher löst sich dann von Jesus. Und auch bei uns ist es nicht anders, wenn auch viel subtiler. Denn die Möglichkeiten der modernen Zerstreuung, wie Internet, Smartphone, ChatGPT, überhaupt die KI, lenken uns leicht von Jesus und seinem Wort, dem Evangelium, ab, suggerieren uns, wir beherrschten den Kosmos und das Atom, die große und die kleine Welt. So wie einst die Schlange im Paradies behauptete „ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist“ (1. Mose 3, 5). Da wird Jesus oft für uns obsolet, Schnee von gestern, vergangener Kinderglaube.

Doch sehen wir genauer hin: Wenn der Apostel Paulus die rhetorische Frage stellt „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?“, dann meint er ja nicht unsere Liebe zu Christus, sondern umgekehrt, Christi Liebe zu uns. „Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe!“ (Johannes 15, 9) fordert uns Christus auf. Die Reihenfolge ist dabei zu beachten: erst „wie mich mein Vater liebt“, d.h. intensive Liebe mit unverbrüchlicher Treue. Denn Gott ist treu (1. Korinther 1, 9). Dann „so liebe ich euch auch“, d.h. mit der gleichen unwandelbaren Treue. Was auch passiert, Jesus bleibt uns treu.

Diese Liebe macht den Mitmenschen zur obersten Richtschnur des Handelns, die Erfüllung seiner Bedürfnisse, oft bei zumindest vorübergehender Vernachlässigung der eigenen Wünsche und Ziele. So wie es der barmherzige Samariter tat im Gleichnis, das Jesus uns hinterlassen hat (Lukas 10, 33ff). Jesus selbst ist uns hierin vorangegangen, indem er sein Leben am Stamm des Kreuzes opferte - er war schuldlos, er tat es für uns! Denn ohne seinen Tod hätten wir Sünder keinen Zugang zu dem heiligen Gott; so aber können wir sagen „Abba, lieber Vater“ (Römer 8, 15; Galater 4, 6).

Wir gedenken gerade in diesen Tagen Jesu Leiden, die er für uns auf sich genommen hat, Leiden, die er nur erdulden musste, weil er unser Schuld auf sich genommen hat. Denn Gott „hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt“ (2. Korinther 5, 21).

Und so ist klar, dass die rhetorische Fortsetzung der Frage („Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?“) nur die situationsbedingten und zeitgenössischen Beispiele sind für Formen der Ablenkung und Störung sind, wie wir sie oben beispielhaft aufgelistet haben. Alles das kann uns zwar daran hindern Christus zu lieben und zu achten, nicht aber Christus uns zu lieben.

Nichts „kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn“ (Römer 8, 39). Welch ein Versprechen!

Ulrich Lorenz, Berlin