Andacht Februar 2025

Die Armen werden niemals ganz aus deinem Land verschwinden. Darum mache ich dir zur Pflicht: Du sollst deinem Not leidenden und armen Bruder, der in deinem Land lebt, deine Hand öffnen.


5. Mose 15, 11

„Wer einem Manne einen Fisch schenkt, gibt ihm für einen Tag zu essen. Wer ihn das Fischen lehrt, gibt ihm ein Leben lang zu essen“ (chinesisches Sprichwort). Nach diesem Motto verfahren wir im Bereich der weltweiten Entwicklungshilfe. Aber auch viele Hilfsorganisationen hier im Lande versuchen, die ihnen anvertrauten Menschen durch Unterweisung und Training zu einem eigenständigen Leben zu führen.

Manche Helfer setzen bei den Kindern der Hilfsbedürftigen an. Denn wenn die Eltern - oft ist sogar nur ein Elternteil für das Kind verfügbar - mit ihrem Leben nicht klar kommen, können die Kinder nicht lernen, dass es für ein selbstbestimmtes, erfolgreiches Leben unumgänglich ist, morgens pünktlich aufzustehen, für Körperpflege und Frühstück zu sorgen, um dann einer regelmäßigen Tätigkeit nachzugehen - sei es im Büro oder in der Werkhalle oder, bei Kindern, eben in der Schule.

Was aber, wenn alle Bemühungen nichts fruchten? Wenn, um das einleitende chinesische Sprichwort aufzugreifen, der Mann nicht selber fischen will? Vielleicht scheut er sich, vor Tagesanbruch aufzustehen, um seine Netze auszuwerfen; vielleicht ist es für ihn bequemer, sich einen Fisch schenken zu lassen. Oder hat er eine Behinderung und kann deshalb nicht fischen?

„Denn auch als wir bei euch waren, geboten wir euch dieses: Wenn jemand nicht arbeiten will, so soll er auch nicht essen“ schreibt der Apostel Paulus an die Thessalonicher (2. Th. 3, 10). Steht er damit im Gegensatz zu der Anweisung Gottes in der Monatslosung für den Februar? Denn die kennt ja keine Einschränkung. „Du sollst deinem notleidenden Bruder deine Hand öffnen.“ Ohne Wenn und Aber. Gilt aber diese unbedingte Anweisung auch dann, wenn ein Mensch das Betteln zu seinem Beruf gemacht hat oder wenn er wirtschaftlich gar nicht zu betteln brauchte?

Bei genauerem Hinsehen erkennen wir, dass es in unserem Monatsspruch gar nicht um den Empfänger der Almosen geht, sondern um den Geber. Nicht der Bedürftige ist im Blick Gottes, sondern der Mensch, der helfen kann und soll.

Und wer außer Gott könnte denn dem wirklich ins Herz sehen, der bettelnd die Hand ausstreckt? Wer von uns Menschen will feststellen, ob der Hungrige nicht fischen will oder nicht fischen kann?

Darum geht es auch nicht. Es geht um uns. Wir sollen uns bewusst sein und bleiben, dass wir alles - wirklich alles! - dem himmlischen Vater verdanken. Jesus ermahnt uns: „So seid nun nicht besorgt, indem ihr sagt: Was sollen wir essen? Oder: Was sollen wir trinken? Oder: Was sollen wir anziehen? ... denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr dies alles benötigt. Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit! Und dies alles wird euch hinzugefügt werden“ (Matthäus 6, 31ff) und zwar reichlich und im Überfluss (vgl. z.B. 2. Brief an die Korinther 9, 8).

Wenn wir davon etwas abgeben, dann geben wir eine Gabe weiter, die wir selbst empfangen haben - und zwar auch dann, wenn wir dafür hart gearbeitet haben: Denn auch dass unsere Arbeit erfolgreich war, dass unsere Mühe belohnt wurde, verdanken wir Gott. Und Gott, nicht uns, obliegt es, dem Empfänger unserer Liebesgabe ins Herz zu sehen und ihn zu prüfen. Nicht wir sollen richten, Gottes Aufgabe ist es.

Unser Auftrag ist, uns als „Reben vom Weinstock Jesus“ ernähren zu lassen. Von seiner Fülle können wir reichlich anderen abgeben. Ohne ihn geht gar nichts: „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ (Johannes 15, 5) Als „fröhliche Geber“ danken wir Gott und Jesus. „Denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ (2. Brief an die Korinther 9, 7)

Ulrich Lorenz, Berlin